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Tauschkulturgut und Beziehungsgenerator: Warum Geld ein mulitfunktionales, aber inhaltloses Sondergebilde ist

Image by Krzysztof Dzwonek from Pixabay
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© Katja Tropoja


Die Entdeckung der Ästhetik und der Reiz der Resignation

Geld an sich ist formlos und zunächst ein Produkt unseres Geistes. Zum sichtbaren Körper wird es erst, wenn es im Tauschvorgang einen ökonomischen Wert angenommen hat und eine Beziehung zwischen verschiedenen Objekten hergestellt ist. Das gilt sowohl für Personen, als auch für Gegenstände. In diesem indifferenten Durchgangsstudium des Tausches und der Erzeugung von Wertrelationen haben wir eine Chance, die Ästhetik des Geldes als Äquivalent der Dinge zu finden und auch selbst zu gestalten.

 

Subjektiv freuen können wir uns über Geld aufgrund seiner Abstraktheit und Absolutheit nicht. Auch der Antizipation von Zukünftigem erweist es keinen Dienst, denn dieser Vorgang verlangt ebenfalls Subjektivität. Es verschafft uns aber das, was G. Simmel den „Reiz der Resignation“ nennt, der nur aus objektiver Freude auf das, wozu uns Geld in der Zukunft verhilft, entstehen kann. Diffuse Ungewissheit impliziert stets die Grenzenlosigkeit unserer Visionen, Möglichkeiten und geplanter Endzwecke in einer objektiven Gegenwart. Ob unser gegenwärtiger Besitz tatsächlich in Zukunft von hohem Wert sein wird, ist ungewiss.
Mit Geld lässt sich nahezu alles objektiv messen und kategorisieren:

„Im Geld hat der Wert der Dinge seinen reinsten Ausdruck und Gipfel gefunden."
(Georg Simmel in: Die Philosophie des Geldes)

 

Distanz, Verbundenheit und bedingungslose Fungibilität

Obwohl Geld selbst keinen Inhalt hat, erfüllt seine Existenz einen Sinn. Es besitzt Gültigkeit und Wirksamkeit zu jedem Zeitpunkt, denn es gewährleistet unbedingte Fungibilität, d. h. mengen- und wertmäßige Bestimmbarkeit und Austauschbarkeit von wirtschaftlich relevanten Objekten, auch von Personen. So wird es zugleich Symbol und Ursache für den absoluten Bewegungscharakter der Welt, für elementare Vergleichgültigung, Veräußerlichung und wechselseitige Abhängigkeiten.

Die Geldhaftigkeit der Beziehungen erzeugt einerseits Distanz zwischen Menschen, die vor zu viel Nähe und Reibung schützt. Geld schenkt uns Abstraktheit und Freiheit von Rücksichtnahme auf Dinge und von Unmittelbarkeit der Beziehung zu ihnen. Es stellt ein Gleichgewicht her zwischen Annäherung, Berührung, Schwingung und Stillstand.

Zwischen Menschen und deren Interessen schafft Geld andererseits die notwendige Verbindung und die gemeinsame Basis. Es schafft ein gemeinsames, zentrales Interesse und wird selbst zum Zweck erhoben. Geld prägt die objektive Kultur, alle zwischenmenschlichen Beziehungen und unsere materialisierten Lebensinhalte. Auch Aufmerksamkeit, Zustimmung, Zuneigung und Wohlwollen kann man kaufen und verkaufen.

 

„Wo nur immer viele Menschen zusammenkommen, wird Geld verhältnismäßig stärker erfordert werden. Denn wegen seiner an sich indifferenten Natur ist es die geeignetste Brücke und Verständigungsmittel zwischen vielen und verschiedenen Persönlichkeiten; je mehr es sind, desto spärlicher werden die Gebiete, auf denen andere als Geldinteressen die Basis ihres Verkehrs bilden können."
(Georg Simmel in: Die Philosophie des Geldes)

 

Dynamik, Kondensiertheit und Rundheit des Geldes

Geld erfüllt seine Funktionen, indem wir es weitergeben und -bewegen. Es entäußert sich permanent selbst. Seit dem beginnenden Kapitalismus stellt auch die Zeit einen Wert dar. Brauchbarkeit und Knappheit bestimmen dessen Höhe. Damit einher geht seit dem
15. Jahrhundert ein Kondensierungsprozess, der Werte zunächst in die Geldform und diese später in die Börsenform transformierte. Zuvor eckige Münzen wurden rund gefertigt, im 18. Jahrhundert gab es z. B. sog. Kugelgeld in Ägypten und mit steigender Geldwirtschaft ging man dazu über, ganze Geldsummen „abzurunden“.

Die Rundheit symbolisiert die Bewegungsdynamik, die das Geld dem Geldverkehr verleiht. Es zirkuliert immer schneller im eingangs erwähnten Tauschvorgang und auch in den Beziehungen zwischen Objekten, denen so der reine Geldcharakter verliehen wird.

Diese Beschleunigungstendenzen nahm G. Simmel bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wahr:

„In der Wirklichkeit dauern die Dinge überhaupt keine Zeit, durch die Rastlosigkeit, mit der sie sich in jedem Moment der Anwendung eines Gesetzes darbieten, wird jede Form schon im Augenblick ihres Entstehens wieder aufgelöst, sie lebt sozusagen nur in ihrem Zerstörtwerden, jede Verfestigung zu dauernden Dingen ist eine unvollkommene Auffassung, die den Bewegungen der Wirklichkeit nicht in deren eigenem Tempo zu folgen vermag. So ist es das schlechthin Dauernde und das schlechthin Nicht-Dauernde, in die und deren Einheit das Ganze ohne Rest aufgeht.“

(Georg Simmel in: Die Philosophie des Geldes)

 

Die Vorläufigkeit unserer Ziele macht sie zu neuen Mitteln

Unser Bewusstsein ist nur beschränkt aufnahmefähig, deshalb nutzen wir es kräfteschonend und möglichst zweckorientiert. Nur wenige Facetten eines Objektes unseres Interesses finden unsere Beachtung. Simmel empfiehlt, alle Kraft auf das zu konzentrieren, was unmittelbar und kurzfristig notwendig ist:

 

„Dadurch, dass der Endzweck immer im Bewusstsein ist, wird eine bestimme Summe von Kraft verbraucht, die der Arbeit an den Mitteln entzogen wird. Das praktisch Zweckmäßigste ist also die volle Konzentration unserer Energien auf die nächst zu verwirklichende Stufe der Zweckreihe; d. h. man kann für den Endzweck nichts Besseres tun, als das Mittel zu ihm so zu behandeln, als wäre es er selbst.“

(Georg Simmel in: Die Philosophie des Geldes)

 

Zynismus und Blasiertheit der Geldkultur

Beide sind Ergebnis der Reduktion „höherer Werte“ auf den Mittelwert des Geldes und auf beiden gründen sich Geiz und Geldgier. Der antike Zynismus hatte zunächst ein positives Lebensideal: Die unbedingte Seelenstärke und sittliche Freiheit des Individuums. Diesen Werten ordnet der Zyniker alle anderen Werte unter. Sie sind ihm gleichgültig. An dieser Stelle hat Geld die Funktion, die höchsten wie die niedrigsten Werte gleichmäßig auf eine Wertform zu reduzieren und sie auf dasselbe prinzipielle Niveau zu bringen. Der Blasierte fühlt alle Dinge in einer gleichmäßig matten und grauen Tönung. Er besitzt eine Indifferenz gegenüber den Dingen, bzw. ihrer Unterschiedlichkeit, weil allzu starke Reize alle Reaktionsfähigkeit aus den Nerven herauspumpen.

 

Die Befangenheit des Lebens in seinen Mitteln

Ist Geld Ausdruck und Aquivalent aller Werte? Ist es Zentrum aller Gegensätzlichkeiten? Besitzt Geld Allmacht? Sicher nicht, aber es symbolisiert am deutlichsten die Relativität der Dinge und das Befangensein des Lebens in seinen Mitteln. Geiz und Geldgier basieren auf dieser zweckhaften Eigenschaft des Geldes.

Wir können uns am Geld erfreuen, ohne es zu begehren, denn es ist unabhängig von unserer subjektiven Bewertung und zunächst auch frei von den dargestellten Zweckeigenschaften.

 

Dinge, die einen konstanten Wert haben – wie z. B. die Schönheit, die Ordnung und Bedeutsamkeit des Universums, etc. – bedürfen nicht des Konsums und sie sind zeitlos. Fragen nach Sinnhaftigkeit, Brauchbarkeit und Knappheit spielen bei konstanten Werten keine Rolle. Dennoch entdecken wir in ihnen die Ästhetik und können uns subjektiv an ihnen erfreuen. Konstante Werte genügen sich selbst. Nur unser Blickwinkel entscheidet, was Mittel und was Zweck sein soll. Die Kunst stellt so einen konstanten Wert  und die typisch-allgemeinen Züge der Erscheinungen dar. Sie appelliert an die typischen Seelenregungen in uns : „Es ist der ganze Sinn der Kunst, aus einem zufälligen Bruchstück der Wirklichkeit eine in sich ruhende Totalität, einen Mikrokosmos zu gestalten.“ (G. Simmel in: Die Philosophie des Geldes).

 

„Die Kunst gründet ihren prinzipiellen Anspruch auf allgemeine subjektive Anerkennung, auf die Ausschaltung alles Zufällig-Individuellen in ihrem Objekt. Alle Kunst verändert die Blickweite, in die wir uns ursprünglich und natürlich zur Wirklichkeit stellen. Jede Kunst stiftet eine Entfernung von der Unmittelbarkeit der Dinge.

(Georg Simmel in: Die Philosophie des Geldes)

 

© Katja Tropoja

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